Müssen Verantwortliche in Unternehmen zwingend über technische Fähigkeiten – wie Programmierkenntnisse – verfügen?
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
- Beschäftigten in technischen Branchen und selbst Entscheidungsträgern auf den höchsten Ebenen wird immer öfter nahegelegt, ihre IT-Fähigkeiten und Kenntnisse auszubauen.
- Wenn Verantwortliche zumindest die Grundlagen des Programmierens kennen, können sie ihre Produkte besser verstehen und ihre technischen Teams besser managen.
- Dennoch lebt ein erfolgreiches Technologieunternehmen nicht nur vom Coden, und technische Überlegungen sollten nicht davon ablenken, dass solche Unternehmen auch strategisch geführt werden müssen.
In einer mehr und mehr technologiegetriebenen Welt werden technische Fähigkeiten wie Datenanalyse und Programmieren zu wesentlichen Kompetenzen im Geschäftsleben. Das gilt besonders für Technologiebranchen, in denen sogar von Managern, die nicht in der IT oder anderen technischen Bereichen arbeiten, zumindest grundlegende Kenntnisse in Programmiersprachen und -techniken erwartet werden.Programmieren zu können,hilft sicher, die Arbeit professioneller Coder voranzubringen und ihre Produkte zu verstehen. Dennoch stellen sich hier eine Reihe von Fragen. Kollidiert diese Forderung nicht mit den Grundprinzipien der Arbeitsteilung?
Werden mittlerweile in wirklich jedem Aufgabenbereich Kenntnisse in der IT-Entwicklung benötigt? Würde ein Unternehmen, in dem nur IT-Experten arbeiten, funktionieren? Wäre es beispielsweise Entscheidungsträgern in strategischen Führungspositionen möglich, gleichzeitig eine übergeordnete Vision zu formulieren, komplexe, unternehmerische Entscheidungen zu treffen und sich für die Details einzelner Code-Zeilen zu interessieren?
CEOS, die sich für Code begeistern, verschaffen sich Vorteile im Wettbewerb in technologiegeprägten Branchen
Man könnte argumentieren, dass hinter dieser neuen Fokussierung auf das Programmieren die klare und überzeugende Überlegung steckt, dass Programmierkenntnisse für jegliche CxOs in technologiegeprägten Unternehmen nur vorteilhaft sein können.
Wir kennen alle die Erfolgsgeschichten der berühmten, technikbegeisterten Unternehmer, die nur auf sich gestellt aus brillantem Code Weltkonzerne erschaffen haben (hallo Bill Gates). Vermutlich können selbst Menschen, die keine Programmiergenies oder Informatikgrößen sind, ein Technologieunternehmen mit ihrer Erfahrung und ihrer Kenntnis der Hintergründe viel leichter führen.Wir sprechen hier nicht von perfekten Expertenkenntnissen der modernsten Maschinensprachen, durchaus aber von einem grundlegenden Verständnis der Logik hinter Coding-Frameworks und -aktivitäten – auch wenn diese Verständnis vielleicht nur dazu dient, das Produkt, das man verkaufen möchte, besser zu verstehen und zu erkennen, wo die jeweiligen Grenzen in der Programmierung liegen. Eigene Entwicklungserfahrung kann außerdem ein strategisches Asset bei Entscheidungen über Neueinstellungen oder in Managementfragen sein: Top Techniker und Entwickler sorgfältig auszuwählen und anzuleiten fällt sehr viel leichter, wenn man weiß, worüber man spricht. Und schließlich werden technisch geschulte Entscheidungsträger eher geneigt sein, eine datenorientierte Kultur in ihren Unternehmen zu etablieren.
Allerdings … Führung in der Technologiebranche bedeutet mehr als Coden
Heutzutage ist die Fähigkeit, Code zu entwickeln, zweifellos hilfreich und wertvoll, besonders in der Technologiebranche. Aber sie ist nicht alles. Ohne Führung mit einem soliden Verständnis der Dynamiken im Markt, finanziellem Weitblick, Marketingsachverstand und dem, was wir “Geschäftsinstinkt” nennen können, wird ein Unternehmen kaum erfolgreich sein.
Hinzu kommt, dass man nicht programmieren können muss, um Technologie und Software zu verstehen – besonders mit dem Aufkommen von Low-Code und No-Code Plattformen, mit denen jeder im Unternehmen Apps entwickeln kann.
Außerdem kann die Fixierung auf Code Verantwortliche von übergeordneten Überlegungen ablenken. Ein CEO, der einen Großteil seiner Energie technischen Fragen widmet, nutzt seine Zeit vielleicht nicht optimal. Jeder andere gute Entwickler kann sich um Bugs kümmern. Aber wer außer dem CEO kann eine einzigartige Vision formen und umsetzen? Wer kann neue Geschäftsmodelle entwickeln und brillante Strategien formulieren? Wer sonst kann das Unternehmen repräsentieren und Menschen inspirieren und für Projekte begeistern?
Wir hatten Bill Gates genannt. Aber was ist mit Steve Jobs? Er war kein Techniker. Er hat keinen Code geschrieben. Haben die fehlenden Programmierkenntnisse seine Fähigkeit beeinträchtigt, eine starke Technologievision zu entwickeln?Verantwortliche Jobs in der Technologiebranche beinhalten und erfordern in jedem Fall mehr als Coden. Ein tiefgehendes und ernsthaftes Interesse an Technologie, ihre Dynamik und ihre Anwendungen dürfen als ebenso wichtig gelten wie die Beherrschung von Ruby.
Sollte jeder lernen, Code zu schreiben?
Betrachten wir das größere Bild doch einmal mit ein wenig Abstand. Wir hören oft von den Vorteilen, wenn Unternehmen selbst Programmierkenntnisse vermitteln. Selbst nicht-technische Unternehmen bieten ihren Beschäftigten solche Schulungen an. Zugegeben, wenn Schüler die Grundlagen der Programmierung bereits in der Schule erlernen könnten, würde das die Voraussetzungen spürbar verbessern und für mehr Chancengleichheit sorgen. Ebenso unbestritten ist, dass Basiskenntnisse in Programmierung Beschäftigten die Interaktion mit Technikern erleichtern und ein einheitliches Verständnis innerhalb des Unternehmens befördern würden.
Aber wollen wir wirklich eine Welt der Code-Schreiber? Wir verlassen uns immer mehr auf Technologie. Für Technologie, die Probleme im realen Leben lösen soll, benötigen wir doch auch Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, verschiedenen Blickwinkeln und Soft Skills außerhalb der Informatik.
Valerie Zeller
Valerie is Sciforma Chief Marketing Officer. Main interests: digital transformation, change management, strategy execution. Send your thoughts @valeriezeller