Wie viele Projekte und Initiativen sind in Folge des Corona-Ausbruchs gescheitert oder wurden verzögert? Wir erleben im Moment unmittelbar, wie solche unerwarteten Ereignisse die besten Pläne zunichte machen können.
Mit Problemen muss man immer rechnen. Selbst wenn Sie versuchen, diese schlichte Tatsache zu ignorieren, werden Sie die Erfahrung für sich selbst und in Ihren Projekten machen. Die Überlegung, welche negativen Szenarien möglich sind und wie Sie mit unerwünschten Wendungen umgehen, kann in der Praxis aber sogar die Chancen eines Projektes auf erfolgreiche Fertigstellung erhöhen. Und liegt nicht der Sinn von Projekten immer darin, erwartete Vorteile und Nutzen für Unternehmen zu erzielen?.
Entsprechend müssen wir für das Management von Projektportfolios eine Balance finden zwischen Pessimismus und Optimismus. Einerseits ist ungebremste Begeisterung für künftige Projekte oft ein wesentlicher Erfolgsfaktor für jegliche Projektarbeit. Andererseits ist ein besonnener Umgang mit Erwartungen einschließlich einer Betrachtung sämtlicher möglichen Hindernisse hilfreich und konstruktiv. Er erhöht die Chancen, dass sich Projekte letztlich auszahlen.
PPM: Streben nach einer besseren Zukunft
Ein Projekt ist definiert als Aktivität, mit der ein bestimmter Zweck erreicht werden soll. Unternehmen oder Personen planen Projekte mit der Erwartung oder Hoffnung, dass sie positive Resultate erzielen werden.
Ein Projekt bedeutet im Kern immer ein Streben nach Vorteilen oder Nutzen in der Zukunft. Und dabei spielt es keine Rolle, ob Neues geschaffen oder bestehende Bedingungen verbessert werden sollen, ob ein Wettbewerbsvorteil erhalten oder ausgebaut werden soll, ob der Betrieb optimiert oder der Weg für neue Aktivitäten geebnet werden soll, ob Ziele quantifiziert sind oder offener bleiben (wie das oft bei Innovationsprojekten der Fall ist), ob es um die Erforschung des Weltraums, den Aufbau einer gemeinnützigen Organisation, die Entwicklung eines neuen Produkts für Endkunden oder den Ausbau von Produktionsanlagen geht.
Man sät, um später ernten zu können. Warum sollte man Ressourcen aufbieten und Zeit und Arbeit in irgend ein Projekt investieren, wenn nicht, um letztlich das Unternehmensergebnis zu verbessern?
Allen Projekte liegt die Überlegung zugrunde, dass geplanter oder erwarteter Nutzen (der Ertrag) die Investition von Zeit, Aufwand und Ressourcen (die Vorleistung) übertrifft. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, mit der dieser Nutzen realisiert werden kann.
Lassen wir die Komplexität von ROI-Berechnungen einmal außer Acht. Dann bedeutet der Entschluss, ein Projekt zu starten, im Grunde, dass wir uns eine positive Zukunft erhoffen. Eine, in der unsere Vision Realität wird und in der all das, was hätte schief laufen können, gut funktioniert.
Dieser optimistische Blick auf die Zukunft ermöglicht erst die “Wir-schaffen-das”-Mentalität, die wir brauchen, um Projekte erfolgreich abzuschließen. Wer würde große, ambitionierte Projekten wagen ohne den den tief verwurzelten Glauben, dass alles gut werden wird, ohne ein Mindestmaß an Vertrauen in die Zukunft?
Eine solche, grundsätzlich positive Einstellung erfordern PPM-Aktivitäten und unternehmerische Risiken gleichermaßen. Bei beiden geht es darum, den Schritt ins Ungewisse jetzt zu machen, in der Hoffnung darauf, dass daraus etwas Positives in der Zukunft entsteht.
In beiden Fällen genügt Hoffnung allein aber nicht. Unternehmen, die ihr Handeln nur auf Hoffnung begründen, erscheinen in der Regel nicht auf dem Cover des Forbes Magazins. Und Glücksfälle ergeben keinen Business Plan. Vertrauen in den Erfolg jedes Unternehmens oder Projektes sollte immer auf fundierten Informationen und einem soliden Fundament aufbauen. Und dazu gehört auch, alles einzuplanen, was schiefgehen könnte.
Die Sicht eines Pessimisten auf PPM
Was könnte – und kann – schiefgehen? Wohl eine ganze Menge.
Eine Erfolgsgarantie erhält man so gut wie nie. Wenn Sie das nicht glauben, denken Sie nur einmal an die aktuelle Krise. Selbst einfache, alltägliche Wartungsprojekte, die erfahrungsgemäß fast nie scheitern, waren von der plötzlichen Einstellung aller Aktivitäten betroffen.
Außerdem ist niemand unverwundbar. Das sprichwörtliche “zu groß um zu scheitern” bedeutet nicht, dass ausreichend große und gut ausgestattete Unternehmen oder Projekte nicht ebenso wie kleinere, bescheidenere scheitern könnten. Es bedeutet nur, dass sie vieles um sich herum mit in den Abgrund reißen würden und die Kosten dafür nicht mehr tragbar wären. Auf dem Friedhof der Evolution finden sich auch Mammuts. Sicherheitshalber müssen wir also davon ausgehen, dass selbst die größten Unternehmen und Initiativen Pannen oder Fehlschläge erleiden können.
Die bloße Zahl von Faktoren, die ein Projekt ins Trudeln bringen können, ist schon ernüchternd. Das Spektrum möglicher Hindernisse reicht von technischen Problemen über die Blockade bewilligter und bereits verplanter Budgets bis zu fehlenden, kritischen Ressourcen. Oder ein Projekt wird abgeschlossen, das entwickelte Produkt ist jedoch nicht mehr relevant, weil ein Wettbewerber schneller auf dem Markt war. (Ein sehr bekanntes Beispiel dafür sind Impfstoffe.)
Aus einer übergeordneten Perspektive sind es dagegen eher externe Einflüsse wie Turbulenzen am Aktienmarkt, Cyber-Kriminalität, veränderte Kundenwünsche, zunehmend häufigere Naturkatastrophen, plötzliche Änderungen von Vorschriften (wie die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Juli 2020, das Data-Shield-Abkommen zum Transfer von Daten zwischen der EU und den Vereinigten Staaten mit sofortiger Wirkung für unwirksam zu erklären), die Ihre Initiativen durchkreuzen können.
Und hinzu kommt noch, dass die Folgen dramatisch sein können. Wir sprechen hier nicht von einer gelegentlichen, durchschnittlichen Frist- oder Budgetüberschreitung.
Schauen wir uns doch einmal einige reale Beispiele für Projekte an, die nicht funktioniert haben. Zunächst den Bau eines Nuklearreaktors in Flamanville, Frankreich. Die Arbeiten begannen im Jahr 2007, die Fertigstellung war für 2012 geplant. Die Baukosten sollten bei 3,4 Milliarden € liegen. Verzögerungen bei der Komponentenzulieferung, eine Reihe von unmittelbar aufeinander folgenden, mechanischen und technischen Problemen, die Sicherheitsbedenken aufbrachten, und die Entdeckung von Altabfällen, die unter der Baustelle vergraben waren, haben dazu beigetragen, dass das Projekt aus dem Ruder lief. Derzeit rechnet man mit einer Inbetriebnahme des Reaktors nicht vor 2023. Die Baukosten werden dann 19,1 Milliarden € betragen. Die Verzögerung und die Budgetüberschreitung gefährden mittlerweile auch Kreditzusagen für andere Projekte des Unternehmens.
Ein anderes Beispiel: Der Don Quixote-Film des Regisseurs Terry Gilliams wurde oft als Projekt beschrieben, “auf dem ein Fluch liegt”. Gilliams begann die Arbeiten an dem Film im Jahr 1989. Nachdem er sich ein Jahrzehnt lang um die Sicherung der Finanzierung bemüht hatte, begann die Produktion im Jahr 2000 – lief allerdings in eine Serie verschiedenster Katastrophen. Durch eine Überflutung wurde Ausrüstung zerstört, es gab Auseinandersetzungen mit Versicherungsunternehmen, Schauspieler mit Hauptrollen erkrankten unheilbar: alles verschwor sich, um zu verhindern, dass der Film jemals fertig wird. Dennoch gelang es, den Film im Jahr 2018, annähernd drei Jahrzehnte nach dem Beginn des Projekts, schließlich fertigzustellen. Und was meinen Sie, geschah dann? Konflikte mit einem früheren Produzenten führten dazu, dass die Veröffentlichung zu einem weiteren Kampf geriet und der Film letztlich nur in fünf europäischen Ländern vermarktet werden konnte.
Diese Extrembeispiele sollen niemanden entmutigen. Sie zeigen aber die schlichte Tatsache, dass Probleme immer einen Weg finden, sich zu manifestieren. Projekt- und Portfoliomanager sind gut beraten, Murphys gutes, altes Gesetz nicht zu vergessen: “Was schief gehen kann, wird schief gehen”.
Die goldene Mitte zwischen Best und Worst Case
Hätten einige der oben beschriebenen Situationen vermieden werden können? Möglicherweise. Wahrscheinlich sind Sie kein Nuklearwissenschaftler oder Filmproduzent. Und einige dieser Probleme waren vermutlich einfach unglückliche Zufälle und unvermeidbar. Dennoch ist es Aufgabe der Projektmanager, auch Probleme, Risiken und Bedrohungen so gut es geht mit einzuplanen.
Die Frage ist also: Wie lässt sich die Begeisterung für die Zukunft, die Projektaktivitäten anregt und voranbringt, mit ständiger Wachsamkeit verbinden vor jeder möglichen Katastrophe, die Sie treffen könnte? Wie halten Sie die Balance zwischen Pessimismus und Optimismus?
Eine Möglichkeit ist es, sich in der Mitte zwischen beiden zu bewegen, oder mit anderen Worten: realistisch zu sein. Projektmanager können mit Vernunft und Augenmaß, indem sie mögliche Ergebnisse und Risiken identifizieren und realistisch abwägen, die ideale Balance zwischen Pessimismus und Optimismus wahren.
Keine überzogenen Erwartungen hegen
Am Anfang sollten Sie festlegen, was Sie realistischerweise erwarten können. Ein Projekt zu planen und zu managen heißt nicht, einer Illusion nachzujagen oder Wunschdenken nachzugeben. Es sollte die realistische Chance bestehen, die erwarteten Ergebnisse aus eigener Kraft, ohne glückliche Zufälle oder externe Unterstützung zu erreichen. Und der Erfolg sollte unmittelbar aus dem Projekt entstehen. Es gibt so etwas wie positive Kettenreaktionen, sie lassen sich aber kaum quantifizieren und stehen unter äußeren Einflüssen, die Sie nicht steuern können. Im Allgemeinen ist es daher sicherer, wenn Sie Ihre Planung nicht auf derartigen Effekten aufbauen.
Außerdem sollten Sie Ihrer Planung realistische Annahmen zugrunde legen. Die sollten nachvollziehbar entweder auf existierenden Bedingungen oder auf logischen, belegbaren Vorhersagen basieren. Wenn beispielsweise ein Use Case mit der Aussage beginnt “Nehmen wir an, ein Bitcoin ist 1 Million Euro wert …”, dann sollten Sie darlegen können, warum Sie erwarten, dass dies der Fall sein wird.
Um diese Klarheit zu erreichen, benötigen Portfoliomanager ein solides Verständnis der aktuellen Situation und freie Sicht auf relevante Informationen.
Das Vorhersehbare planen
Ebenso bedarf es eines praktikablen Ansatzes bei der Einschätzung von Gefahren und der Risikoplanung. Projektplaner und -manager sollten realistisch sein und mögliche Probleme erkennen, prüfen, erfassen und möglichst quantifizieren. Dabei geht es darum, was in der Zukunft passieren kann oder könnte – wobei es darüber keinerlei Gewissheit geben kann. Dennoch helfen gesunder Menschenverstand und ein gutes Verständnis der Situation, das wahrscheinlichste Zukunftsszenario zu erkennen und zu beschreiben.
Sicher lassen sich die Wahrscheinlichkeit, mit der unter Ihrem geplanten Produktionsstandort ein historisch bedeutsamer, heiliger Friedhof liegt, oder die Wahrscheinlichkeit für eine Invasion der Killerameisen kaum quantifizieren. Aber Filmproduzenten können und werden ungemütliches Wetter einplanen, und Nuklearexperten wissen, was technologische Risiken sind. Und Sie können aus Ihrem Wissen über Ihr Unternehmen, Ihr Arbeitsgebiet und den Markt eine praktikable Einschätzung ableiten, was schief gehen kann.
Die gute Nachricht ist, dass sich solches Wissen ansammelt: Portfoliomanager können die Analysen und Einblicke in frühere, ähnliche Projekte zusammenfassen und wieder verwenden. Selbstverständlich müssen dafür Modelle aktualisiert werden, damit sie neuen Entwicklungen gerecht werden und spezifische Anforderungen eines Projekts berücksichtigen.
Einige Projektprofis neigen dazu, Sicherheitsmargen zu überschätzen und aufzublähen, um stets auf der sicheren Seite zu bleiben. Vorsicht ist löblich, aber eine Planung, die alles berücksichtigt, was vielleicht, im schlimmsten Fall passieren könnte, geht fast immer auf Kosten des Wertes eines Projektes für ein Unternehmen. Und wieder finden wir das richtige Maß nur mit Hilfe eines klaren Blicks auf die Realität.
Anhand von realistischen Einschätzungen, die auf dem Ist-Zustand basieren und zeigen, was zu erwarten oder zu befürchten ist, können Portfoliomanager das Gute, das Schlechte und das ganz Schlechte zusammenfassen und die richtige Balance zwischen Optimismus und Pessimismus finden.
Die Balance halten
Und diese Überlegungen betreffen nicht nur die Planungsphasen. Sie gelten für den gesamten Lebenszyklus von Projekten. Bedingungen verändern sich, Märkte verschieben sich, Kunden in der digitalen Welt entwickeln neue Anwendungsmuster, Wettbewerber sind nicht untätig. Interne Steuerung und strategische Vorgaben, Ausstattung und Ressourcen von Unternehmen, die Zusammensetzung von Portfolios, all das ist anfällig für Störungen. Veränderungen können dramatisch oder weniger offenkundig sein, wobei Letzteres manchmal gefährlicher ist, weil es leichter übersehen werden kann.
Laufende Projekte müssen zwingend verfolgt und überwacht werden, um sicherzustellen, dass die anfängliche Vorstellung, welche Resultate erzielt werden können, und die Wahrscheinlichkeit, mit der das geschieht, weiterhin gelten. Projekt- und Portfoliomanager sollten stets bereit sein, Erwartungen zu überdenken, neue, mögliche Gefahren in ihre Planung aufzunehmen, sobald sie erkennbar werden, und das Gewicht einzelner Faktoren in der Entscheidungsfindung neu zu bewerten.
Und auch hier ist klare Sicht auf die Fakten der Schlüssel zum Wahren der Balance zwischen dem Wunsch, Vorteile in der Zukunft zu erzielen, und der Vorsicht vor allem, was dem im Wege stehen könnte.
PPM-Experten, die die Chancen sehen und die Gefahren nicht ignorieren, werden am ehesten die gewünschten Ergebnisse erzielen. Erwartungen fördern Aktivitäten, aber auch Risiken gehören immer dazu.
Wenn wir die pessimistische Sichtweise in unsere Projektplanung einbeziehen, wird das den Tatendrang nicht bremsen. Im Gegenteil, Entscheidungen auf der Grundlage möglicher Zukunftsszenarien zu treffen, auch wenn sie düster erscheinen mögen, sollten das Unternehmen motivieren, bekannte, kalkulierbare Risiken einzugehen, um erreichbare Vorteile zu erzielen. Schließlich gilt auch hier ein Zitat von Erica Jong: “Wenn Sie nichts riskieren, riskieren Sie am meisten.”
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Benoît Boitard
Benoît has multiple professional experiences, working in particular as a digital strategy consultant, both in emerging start-ups and in large companies. These diverse experiences have imbued him with a global vision of project management in traditional and agile working environments.